Einladung zur Podiumsdiskussion:

Der Tod von Phan Văn Toàn in Fredersdorf im Kontext der Baseballschlägerjahre in Brandenburg

Seit 2019 wird unter dem Begriff #baseballschlägerjahre ein kritischer Blick auf die Wendezeit geworfen. Dabei liegt der Fokus auf extremer rechter und neonazistischer Gewalt, die sich vor allem gegen Vertragsarbeiter*innen, Geflüchtete, Linke, Punks und Obdachlose richtete. Viele dieser gewalttätigen Übergriffe endeten tödlich. Eine Auseinandersetzung mit diesen Übergriffen ist gleichzeitig auch eine Auseinandersetzung mit der politischen Verantwortung für die Etablierung einer öffentlichen Erinnerungskultur, die sich solidarisch mit den Opfern zeigt, und die die Entstehung eines gesellschaftlichen Klimas, das solche Taten unterstützt, zu verhindern sucht. Diese Auseinandersetzung lädt auch dazu ein, sich mit aktuellen Entwicklungen rechtsextremer Gewalt und daraus resultierenden Gefahren auseinanderzusetzen und aktiv Gegenstrategien zu entwickeln.

Wir möchten Sie in diesem Kontext zu einer Diskussionsveranstaltung zu einem gewalttätigen Übergriff der Wendezeit in Fredersdorf einladen, dessen Tathergang sich wie folgt zusammenfassen lässt: Am Vormittag des 31. Januar 1997 kommt es am S-Bahnhof Fredersdorf zum Streit zwischen dem Zigarettenverkäufer Phan Văn Toàn und einer Gruppe von Männern, die dort regelmäßig trinken und Fahrräder bewachen. Im Zuge des Streits schlägt der 36-jährige Uwe Z. Phan Văn Toàn ins Gesicht. Dann kommt der 30-jährige Olaf S. dazu. Der über 1.90 m große und 100 kg schwere Mann packt Phan Văn Toàn an den Hüften, hebt ihn hoch und schlägt seinen Kopf mehrmals mit voller Wucht auf den Steinboden. Phan Văn Toàn hat keine Chance, sich gegen den bulligen Mann zu wehren. Beim Aufprall bricht er sich zwei Halswirbel. Am 30.04.1997 verstirbt Phan Văn Toàn in einem Krankenhaus, die Obduktion ergibt, dass die Todesursache die direkte Folge des Angriffs war.

Im Verfahren bestreitet der Haupttäter Olaf S. jeglichen Fremdenhass. Bekannte von ihm sagen aus, er habe sich schon vor der Tat öfter abfällig über Ausländer geäußert. Die Staatsanwaltschaft geht bei dem Angriff auf Phan Văn Toàn von „Ausländerhass als bestimmendes Motiv“ aus und klagt Uwe S. wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen an.

Der leitende Staatsanwalt spricht im Prozess von „dumpfe[m] Ausländerhass“. Selbst im Prozess äußert der Haupttäter rassistische Parolen wie „F****** raus aus Deutschland“. Die 5. Strafkammer am Landgericht Frankfurt (Oder) sieht das rassistische Motiv jedoch nicht als erwiesen an und verurteilt den Haupttäter wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neuneinhalb Jahren.

In der Urteilsbegründung heißt es: „Soweit überhaupt Wut auf Ausländer eine Rolle gespielt haben sollte, bildete diese jedenfalls nicht das dominante Motiv seines Handelns und war nur darauf gerichtet, daß die Vietnamesen ihren Standplatz etwas mehr abseits von der Fahrradaufbewahrung nehmen sollten.“

Als Gedenkinitiative setzen wir uns seit dem 31. Januar 2021 für ein würdiges Gedenken für Phan Văn Toàn ein. Nach einer ersten Gedenkkundgebung sowie einer Informationsaktion für die Nachbarschaft möchten wir Sie nun dazu einladen, gemeinsam mit Expert*innen einen Blick auf die sogenannten Baseballschlägerjahre zu werfen:

Wie ist der Tod von Phan Văn Toàn im Zusammenhang mit der damaligen Zeit einzuordnen und wie können wir gemeinsam ein würdiges Gedenken für ihn gestalten?

Mit uns diskutieren:

Christoph Kopke, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin und Mitautor des Abschlussberichts „Überprüfung umstrittener Altfälle Todesopfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt im Land Brandenburg seit 1990“

Ravindra Gujjula,von 1993 bis 2003 Bürgermeister der Stadt Altlandsberg und von 2007 bis 2009 Abgeordneter im Landtag Brandenburg (SPD)

Kimiko Suda, wissenschaftliche Referentin bei korientation e.V. und Mitglied der Gedenkinitiative Phan Văn Toàn

Judith Porath, Geschäftsführerin der Opferberatungsstelle Opferperspektive e.V.

Angelika Nguyen, geboren in Ostberlin, studierte Filmwissenschaft in Potsdam-Babelsberg, drehte 1991 den Dokumentarfilm „Bruderland ist abgebrannt“ zur Lage vietnamesischer Migrant*innen in Ostberlin

27. September 2021 | 18 Uhr | Angerscheune | Dorfstraße 1, 15370 Petershagen/Eggersdorf

Homepage: https://phanvantoan.de

Wir bitten Sie, entweder geimpft, genesen oder getestet zur Veranstaltung zu kommen.

Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtenden Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.

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